Ausstellung „Das Junge Wien – Natur plus X“: Vom Café Central in den Prater – wo lebten und dichteten Arthur Schnitzler und Hugo von Hofmannsthal?
- Zehn Standorte in Wien zeigen die Literaten der Wiener Moderne in unterschiedlichen lebens- und kulturgeschichtlichen Zusammenhängen; ab 9. März widmet man sich im Arkadenhof des Café Central etwa der besonderen Bedeutung des Kaffeehauses für die Jung Wiener
- Koordiniert und zu einem guten Teil auch kuratiert wurden die Ausstellungen vom Ludwig Boltzmann Institut für Geschichte und Theorie der Biographie
- Kaffeehausliteratur heute: Café Central startet Lesereihe „DaCapo. Literatur im Café Central“
„Der Karl Kraus trinkt seinen Kaffee immer schwarz, intelligenter wird er davon nicht werden“, spöttelte einst Arthur Schnitzler in seinem Tagebuch. Schnitzler hatte ausreichend Gelegenheit, seinem berühmten Zeitgenossen in die Tasse zu schauen, schließlich traf sich die Crème de la Crème der jungen österreichischen Schriftsteller abendlich in den Literatencafés von Wien – so auch im architektonisch prachtvollen Café Central. „Der Literatenkreis Jung Wien bleibt bis heute untrennbar mit dem Wiener Kaffeehaus als Ort und Nährboden für kreativen Austausch verbunden“, so Dr. Wilhelm Hemecker anlässlich der Eröffnung des Ausstellungsensembles „Das Junge Wien – Natur plus X“ am 9. März im Arkadenhof des Café Central. Hemecker leitet das Ludwig Boltzmann Institut für Geschichte und Theorie der Biographie, an dem das Gesamtkonzept des dezentralen Ausstellungsverbundes entwickelt wurde.
Das Ausstellungsensemble „Das Junge Wien – Natur plus X“ bespielt zehn Standorte in Wien und einen in Salzburg, die ab 9. März sukzessive eröffnen. Arthur Schnitzler, Hugo von Hofmannsthal, Hermann Bahr, Richard Beer-Hofmann, Felix Salten und auch Karl Kraus werden in vielfältigen lebensgeschichtlichen Räumen und kulturgeschichtlichen Zusammenhängen gezeigt: am Gymnasium, im Kaffeehaus, im Theater, im Prater, auf Sommerfrische, im Kontext der Psychoanalyse Freuds und der Tonkunst Schönbergs, im und nach dem Ersten Weltkrieg. Auch ihrem Nachleben und künstlerischen Nachwirken in Literatur und Film widmet man sich. „Nie wurde diesem Kreis, der repräsentativ für die Literatur der Wiener Jahrhundertwende steht, mit einer Schau so breite Aufmerksamkeit gewidmet“, so Hemecker.
„Natur plus X“ – ein Ausstellungsensemble und Biographieforschung
Mit „Natur minus X“ wurde die Ästhetik des Naturalismus, die auf exakter Beobachtung beruht, auf die kürzeste Formel gebracht. „Das X sollte dabei möglichst klein sein: die nackte Realität als Gegenstand und Ideal naturalistischer Kunst. Mit der von Hermann Bahr ab 1891 propagierten ‚Überwindung des Naturalismus‘ rückte das Andere der äußeren Wirklichkeit in den Blick der Jung Wiener: das Unbewusste, Traumhafte, Impressionen und Stimmungen, Ästhetentum, Lust und Lifestyle, Nostalgie und Utopie, das Irreale, Sprache und ihre Grenzen, neue Klänge. Daher das ‚plus‘ im Untertitel unseres Ausstellungsensembles“, erklärt Wilhelm Hemecker.
Das Ludwig Boltzmann Institut für Geschichte und Theorie der Biographie hat einen besonderen Schwerpunkt in der biographischen und literaturgeschichtlichen Erforschung des Jungen Wien. Am Institut entstanden Referenzwerke, etwa der Band „Hugo von Hofmannsthal. Orte“; zu Arthur Schnitzler und Karl Kraus laufen mehrjährige Forschungsprogramme. Im Kontext der Ausstellung „Das Junge Wien – Natur plus X“ findet unter dem gleichnamigen Titel auch ein wissenschaftliches Symposium statt (Loos-Räume der Wienbibliothek, 12. und 13. April 2018).
Ausstellungsstation im Café Central eröffnet am 9. März
Zum Auftakt widmet man sich im Café Central unter dem Titel “ ‚Eine platonische Akademie‘ – Das Junge Wien im Kaffeehaus“ der Bedeutung dieser Institution für die Protagonisten des Kreises (Laufzeit: 9. März bis 3. Juni 2018).
„Ich bin jeden Abend nach 10 im Central, Dienstag, Donnerstag, Samstag sicher“, ließ Arthur Schnitzler Hugo von Hofmannsthal 1893 wissen. In den Kaffeehäusern Wiens wurden literarische Produktionen vorgetragen und intensiv diskutiert, darüber hinaus waren Cafés zweites Wohnzimmer, Schreibstube und Audienzräume zugleich. Hier wurde Hof gehalten, wurden Freundschaften gepflegt und Feindschaften ausgetragen. Im Mittelpunkt des literarischen Treibens standen das Café Griensteidl und etwas später das Café Central. „Centralisten“ nannte man damals die Dauerbesucher, zu denen Peter Altenberg gehörte. Der Schriftsteller ließ sich dorthin nicht nur seine Post, sondern sogar seine Wäsche liefern – nur schlafen durfte er zu seinem Bedauern dort nicht.
Alle Ausstellungsstationen:
www.lbg.ac.at/themen/natur-plus-x-das-junge-wien
Kaffeehausliteratur heute: neue Lesereihe „DaCapo. Literatur im Café Central“
Seine Teilnahme am Ausstellungsensemble nimmt das Café Central, das seine Verbindung zur Literaturszene über die Jahrzehnte hinweg gewahrt hat, zum Anlass für die Gründung der neuen Lesereihe „DaCapo. Literatur im Café Central“. Im Rahmen einer Partnerschaft mit der Österreichischen Gesellschaft für Literatur unterstützt das Café Central künftig junge SchriftstellerInnen aus Österreich. „Das Central ist seit jeher ein Treffpunkt für LiteratInnen, Intellektuelle und KünstlerInnen. Mit ‚DaCapo. Literatur im Café Central‘ greifen wir unsere Tradition wieder auf und lassen die Centralisten neu aufleben“, sagt Kay Fröhlich, Geschäftsführer von Palais Events und Café Central. Das Programm wird in Kürze vorgestellt. Der Eintritt ist bei allen Lesungen im Café Central frei.
Im Arkadenhof des Palais Ferstel, der zum Café Central gehört, werden ab Herbst 2018 vierteljährlich junge SchriftstellerInnen ihre Werke vor einem literaturbegeisterten Publikum präsentieren. Fröhlich: „Mit unserer neuen Veranstaltungsreihe wollen wir österreichische Literatur fördern und junge SchriftstellerInnen unterstützen.“ Eine von ihnen ist Petra Piuk, die auch für die Ausstellungsstation im Café Central interviewt wurde. Für die gebürtige Burgenländerin – sie gewann den Wortmeldungen-Literaturpreis 2018 für ihren zweiten Roman „Toni und Moni“ – ist die Teilnahme eine naheliegende Sache. Als Schriftstellerin, die viel unterwegs ist, bekannte sie anlässlich der Eröffnung von „Das Junge Wien – Natur plus X“: „Ich kann überall schreiben. Am liebsten aber schreibe ich in Zügen und Kaffeehäusern.“